Sonntag am Ettersberg

Sonntag am Ettersberg 


Früh um sechs, kein Lüftchen regt sich. Alles still. Halbhoch träge streicht ein Vogel über die Häuser, Richtung Ettersberg. 

Da will ich auch hin, eine Runde drehen, vielleicht sehen wir uns wieder. 

Mein Sonntag gehört dem Wort, mehr noch: den Wörtern. Die Wörter sind, was die Stimme seines Herrn dem Hund ist. Alles Electrola, oder was? Mehr noch: Die Wörter sind wie Vögel. Sie lassen sich sehen. Fassen lassen sie sich nicht. Wenn ich sie sehe, dann sehe ich ihnen hinterher. Wenn ich sie höre, muss ich gehorchen. 

Könnte man sie fassen, würden mehr Menschen mit einem Vogel herumlaufen und behaupten, sie hätten da etwas in der Hand, und es sei besser als ein Dingsda auf dem Dach. 

So folge ich den Wörtern, ohne sie fassen zu können. Ich bleibe fassungslos. Der Sonntag ist ihr Tag, die frühe Stunde. Später sind die Über- und Obertöner zugange, sie treten ihr Wortgeröll los. Abgang, Steinschlag. Feierlich. Auch politisch. Im Brustton der Überzeugung. Und, was das schlimmste ist, gut gelaunt wie eine Unterhaltungssendung. 

Uff, jetzt bin ich da! Der Ettersberg ist unten herum karges Busch- und Wiesenland. Weiter oben Wald. Auch Steinbruch.

Dort ragt der Glockenturm hervor. Von wo aus man sich Weimar auch nähert: zuerst fällt der Glockenturm ins Auge. Weit und schön seine Ansicht. Und die Aussicht, die er bietet. Meine liebste Landmarke. Er steckt mir das vaterländische Feld ab. 

So geh' ich meines Wegs. Russenpanzer haben ihn in den Boden gefurcht. Der Neuntöter sitzt, wenn ich Glück habe, im Buschwerk am Wegesrand. Er hält auch immer Ausschau. Und da, tatsächlich! Da auf dem Zweig! Zack, schon schwirrt er ab, er ist flüchtig. War es - oder war es kein Neuntöter? Hab' kein Fernglas dabei. 

Genug spaziert, ich kehre um, bergab nach Hause. Der Landfrieden hat mich umfangen, was will ich mehr. 

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